Begriffe: „Dschihadismus“

Als Bezeichnung für Gruppen und Individuen im sunnitischen Islam, die eine Veränderung von Gesellschaft, Staat, Politik und Kultur unter explizitem Einschluss von Gewaltmitteln erreichen wollen, wurde Dschihadismus in der letzten Dekade ein weit verbreiteter Terminus [1].

Basierend auf einem Verständnis des arabischen Wortes Dschihad (Anstrengung) als offensive und defensive kämpferische Bemühung zum Wohle des Islams fasst er damit ein Konglomerat handlungsleitender Ideen. Immer wiederkehrendes Topos dabei ist die Auseinandersetzung mit einer vermeintlichen westlichen Neo-Kolonialisierung der arabisch-islamischen Welt, die eine Verbindung mit korrupten arabischen Regimen und Israel zuungunsten des „wahren“ Islams eingehe und die Zurückdrängung islamischer Werte und Normen auf allen gesellschaftlichen Bereichen anstrebe, um Muslime in einem Verhältnis von Unterdrückung und Unfreiheit zu binden. Dementgegen streben Dschihadisten (eine Übertragung der arabischen Selbstbezeichnung mudschahidun – „Dschihad-Kämpfer“- in europäische Sprachen) die Errichtung einer Gesellschaften, eines islamischen Staates, der der Verfasstheit der frühislamischen Gemeinschaft (oder dem, was man darüber zu wissen glaubt) eine Entsprechung in der Gegenwart verschaffen soll. Es finden sich in der jüngsten Geschichte der gesamten islamischen Welt und darüber hinaus mannigfaltige Denker und Gruppen, die sich diesem Paradigma verschrieben haben und Menschen in diesem Sinne zu mobilisieren such(t)en [2]. Als das wohl prominenteste Beispiel kann Al-Qaida gelten, in deren Reihen sich in den 1980er Jahren Kämpfer unterschiedlichster Nationalitäten zum Widerstand gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans versammelten. Jüngst zu wahrscheinlich noch größerer Bekanntheit gelangte der Islamische Staat, der aus dem sunnitischen Widerstand gegen die multinationale Besatzung des Irak hervorging, einen Teil des Territoriums Syriens und des Irak beherrscht und im Juni 2014 ein Kalifat ausrief, das den Anspruch erhebt, die gesamte Menschheit unter seinem Banner zu vereinen

Dr. Christioph Günther

 

[1] Diese Interpretation des Begriffs ist eine in der Debatte um gewaltbereite religiös-politische Bewegungen im Islam vorherrschende, jedoch weder die einzig mögliche noch einzig gültige. Vgl. dazu Hegghammer, Thomas (2009): ‘Jihadi-Salafis or Revolutionaries? On Religion and Politicsin the Study of Militant Islamism’, in: Roel Meijer (Hg.): Global Salafism. Islam’s new Religious Movement. London 2009, S. 244ff.

[2] Vgl. Peters, Rudolph (2016): Jihad. A History in Documents. 3. erw. u. aktual. Aufl., Princeton; S. 108ff.

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