Sammelband „Was sollen wir glauben? Zwischen Wahrheit, Täuschung und Propaganda.“

So problematisch Desinformationen, Fake News, Propaganda oder sogenannte „alternative Fakten“ bzw. „Wahrheiten“ individuell wie gesamtgesellschaftlich sind: Oft wird übersehen, dass selten eindeutig ist, was denn nun stimmt. Das gilt für das Wesen von politischen oder sozialen Tatsachen allgemein, die zugleich implizite Wertungen und Deutungen sind, aber auch für uns als Mediennutzende, die vor allem in den Sozialen Medien stets aufgefordert sind zu entscheiden, welchen Nachrichten sie dort Glauben schenken.

Mit den Grenz- und Grauzonen von Echtheit oder Faktentreue im Kontext von Falschinformationen, Fakes und ideologischer Beeinflussung befasst sich der Sammelband Was sollen wir glauben? Zwischen Wahrheit, Täuschung und Propaganda. Herausgegeben haben ihn Kurt Erlemann und ich in meiner Reihe „Aktivismus- und Propagandaforschung“. Die Idee dazu geht zurück auf die öffentliche Ringvorlesung „Fakten. Propaganda. Fake News: Was können wir noch glauben?“, die zwischen 20. April und 13. Juli 2023 in der Citykirche Wuppertal-Elberfeld stattfand.

Für das Buch wurde der Titel vom etwas ‚defätistischen‘ „Noch glauben können“ zu einem „glauben sollen“ umgeändert. Denn so problematisch, wenn nicht verwerflich und gefährlich das bewusste oder leichtsinnige Spiel mit Unwahrheiten insbesondere im Zusammenhang von antidemokratischer und menschengruppenfeindlicher Stimmungsmache ist: Wir alle gehen tagtäglich mit Unsicherheiten hinsichtlich dessen um, was denn nun stimmt oder nicht – und kommen damit oftmals gut zurecht. Von literarischer Fiktion und Freiheiten im Reportage-Journalismus über Schönheitsideale auf Instagram und KI-Bildern in ihrem jeweiligen Einsatz bis hin zum religiösen Glauben zeigt sich außerdem, dass es viele Schattierungen und Arten von Wahrheit jenseits des binären „wahr“ / „falsch“ gibt. Bei allen Überforderungen und allen Risiken von aggressiven Informationskampagnen oder populistischen Versuchen, Wahrheit zu verzerren bzw. nach Bedarf zu relativieren (was auch heißt, Grauzonen zu instrumentalisieren): Der Umstand, dass es allerlei Grauzonen gibt, kann auch Mut machen und Aufforderung sein, die Probleme komplexer zu denken, um sie anzugehen, nicht um zu verzweifeln. Die Frage, was wir glauben sollen, zielt nämlich nicht nur auf die Beschreibung z.B. propagandistischer Beeinflussungsversuche. Sie ist auch eine individuelle wie kollektive ethisch-moralische und mit einer metakommunikative Aufforderungen verbunden, angemessene Standards zum Umgang mit Grenzphänomenen der Lüge und Täuschung zu finden.

Der Reader Was sollen wir glauben? Zwischen Wahrheit, Täuschung und Propaganda beinhaltet folgende Beiträge:

  • Einführung: Was sollen wir glauben? (B. Zywietz und K. Erlemann)
  • Wahrheit im Wandel: Soziale Medien und ihr Einfluss auf die individuelle und gesellschaftliche Wahrheitskonstruktion (Sophia Maylin Klewer)
  • Propaganda und Wahrheit. Zu einer komplizierten Beziehung (B. Zywietz)
  • Grenzen der Unwahrheit. Falsche Fakten, Irreführung und Fakes im Kontext von Meinungsfreiheit und Künstlicher Intelligenz (B. Zywietz und Flemming Ipsen)
  • Journalistische Berichterstattung über Gewalt. Von der Grenze zwischen faktualem und fiktionalem Erzählen (Matei Chihaia)
  • Wundertexte als Propaganda, Gleichnisse als „Fake News“? Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen biblischen Erzählungen und politisch-ideologischer Manipulation (K. Erlemann und B. Zywietz)

(zyw)