Hass ist keine Meinung? – Zu Meinungsfreiheit und Online-Hass

„Hass ist keine Meinung“ – so lautet der Titel eines Buches von Renate Künast, in dem die Politikerin auch aus eigener Erfahrung heraus sich mit Beleidigungen, Anfeindungen und Bedrohungen im und über das Internet auseinandersetzt. „Hass ist keine Meinung“ ist außerdem der deutsche Kampagnenslogan des No Hate Speech Movements, das hierzulande von der https://neuemedienmacher.de/Nichtregierungsorganisation Neue deutsche Medienmacher*innen getragen wird.

(Disclaimer: jugendschutz.net, bei dem ich den Bereich Politischer Extremismus leite, ist Mitglied im Nationalen Komitee des No Hate Speech Movements Deutschland und bildet zusammen mit den Neuen Deutschen Medienmacher*innen, HateAid und Das NETTZ das vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geförderten Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz. Dieser Text präsentiert meine Privatauffassung und stellt nicht die Meinung oder Position von jugendschutz.net oder der Geldgeber:innen oder Partner:innen von jugendschutz.net dar.)

Ich würde nun keinesfalls soweit gehen wie der Hochschulprofessor, Verfassungs-, Zivil- und Arbeitsrechtler Arnd Diringer, der in einem Welt-Meinungsstück (Paywall) die Aussage, Hass sei keine Meinung einen „gefährlichen Blödsinn“ nannte. Schließlich handelt es sich um keine juristische Einschätzung oder ontologische Bestimmung, sondern – um beim zweiten, oben angeführten Kontext zu bleiben – um einen Kampagnenslogan, der als solcher verkürzt und zugespitzt auf (s)einen einflusskommunikativen Effekt hin ausgerichtet ist. So ist es natürlich richtig, dass Hass ebenso wenig eine Meinung ist wie Renate Künast „ein Gurkensandwich“ (Diringer). Hass ist zunächst und literal: eine Emotion. Aber es geht hier um eine reduzierte, komprimierte Botschaft, die möglichst griffig auf den Punkt gebracht werden soll. Nur, welche Botschaft ist das genau? Naheliegenderweise die, die in solchen Zusammenhängen – eben denen der Debatte um Hass im Netz als vielschichtiges Problem; auf Podiumsdiskussionen oder Posts in Sozialen Netzwerken – schnell mal mit Aussagen wie ‚Hass(äußerungen) sind von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt‘ konkretisiert werden (was mir in den letzten Jahren durchaus untergekommen ist).

Das ist so nun ebenso schnell und pauschal dahingesagt und ebenfalls nicht richtig oder genauer gesagt: so einfach nicht richtig. Zumindest kommt es stark darauf an, was zum einen unter „Hass“ verstanden wird, zum anderen, was mit „gedeckt“ gemeint ist.

Schon beim ersten Punkt läuft das Credo Gefahr, kontraproduktiv zu werden. Hass (ebenso wie „Rassismus“ oder „Demokratiefeindlichkeit“) derart mit Meinung oder Meinungsfreiheit zu verknüpfen, legt eine (straf-)rechtliche Perspektive nahe und verführt dazu, Hassäußerungen nicht nur als illegitim, sondern stets als illegal zu betrachten. Das ist aber nicht die Position und das Ansinnen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich hinter den Slogan „Hass ist keine Meinung“ stellen. Rechtlich zulässige oder zumindest dahingehend unklare Hate Speech macht einen erheblichen Teil des Problems Hass im Netz sowie der Arbeit dagegen aus. Wäre jeder Fall von Online-Hass strafrechtlich relevant, würde es sich zuvorderst um eine rechtliche und ansonsten v.a. regulatorisch-politische Herausforderung handeln, inklusive der Frage nach der Rechtsdurchsetzung im Internet (Stichwort „NetzDG“). Lediglich inzivile, offensive Inhalte oder Formen der Ansprache unterhalb der Strafbarkeitsschwelle blieben außen vor und wären entsprechend kein oder ein ganz anderes, eigenes Thema. Das gälte dann auch für die Bemühung zur Sensibilisierung für und soziale Ahndung von z.B. Alltagsrassismus oder -sexismus. Rechtliche Kriterien und die diesbezügliche Rechtsprechung zivilgesellschaftlich engagiert weiterzuentwickeln würde unter dem Rubrum „Bekämpfung von Online-Hass“ erschwert.

Hassrede kann ein Hassverbrechen sein, etwa Beleidigung, Aufruf zur Straftat oder Volksverhetzung, und damit juristisch zu verfolgen, muss es aber nicht notwendigerweise. Auch macht die Unterteilung von strafbaren und intolerablen, aber legalen „Hass“ Sinn, etwa um Handlungsfelder und zuständige Akteur:innen zu sortieren (Polizeien und Staatsanwaltschaften hier, Zentralen für Politische Bildung dort). Internet-Hass ist aber ebenso, wenn nicht in besonderem Maße ein Grauzonen-Thema und in der Frage nach einer auch nichtrechtlichen Grenzziehung so herausforderungsreich wie notwendig anzugehen (z.B. in den Klärungen der Fragen, wieviel Toleranz es in Sozialen Medien braucht oder was die Diensteanbieter in ihren Nutzungsrichtlinien jenseits der rechtlichen Vorgaben festzuschreiben haben).

Der Spruch „Hass ist keine Meinung“ kann allerdings in einer anderen Deutungsweise in seiner rechtlichen Bezugnahme Berechtigung haben. Nämlich als diskursive, rhetorische Antwort auf die Verteidigungslinie jene Hater:innen und Hetzer:innen, die sich auf ihre verfassungsmäßige Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Diese Freiheit als Grundrecht wird durch den fünften Artikel des Grundgesetzes garantiert. Dass derselbe Artikel im zweiten Absatz besagte Freiheit aber auch einschränkt (durch die allgemeinen Gesetze, den Jugendschutz oder dem Recht der persönlichen Ehre), wird von jenen, die sie bzw. Artikel 5 in Feld führen, ebenso häufig und geflissentlich übersehen. Bei allen Grauzonen und allen legalen Erscheinungsformen von Hass: Wer u.a. Volksverhetzung betreibt, zu einer Straftat aufruft, verleumdet, beleidigt, der bekommt durch die Meinungsfreiheit keinen Freibrief. Für diesen Grundsatz ist zunächst auch unerheblich, dass es im je konkreten Fall oft umstritten ist, ob ein Rechtsverstoß vorliegt oder nicht, ob die Entscheidung darüber von welchen Kontrahent:innen im Meinungs- und Deutungskampf akzeptiert wird usw.

„Hass ist keine Meinung“ wird allerdings selbst und vielleicht mehr noch in diesem Verwendungskontext bzw. Verständnis problematisch. Dies zumindest, wenn diese Aussage apodiktisch gemeint und verstanden wird im Sinne einer normativen Forderung oder gar Setzung. Wohin Slogans schnell tendieren. „Hass“, so ließe sich das ausformulieren, unterliege per se und in keinem Fall der Meinungsäußerungsfreiheit – oder sollte es jedenfalls nicht. Wobei wir bei dem Punkt der Bedeutung von „von der Meinungsfreiheit gedeckt“ wären.

Der zumindest kategorische Ausschluss von „Hass“ aus dem Bereich der Meinungsfreiheit als Grundrecht ist allerdings keine Lösung – Stichwort „Grauzone“; hier auch mit Blick auf das Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sich Extremist:innen und Menschenfeinde immer neuer Codes und Kniffe ausdenken, um ihre Gedankengut unterhalb der Strafbarkeitsschwelle sowie der Eingriffshürde von Social-Media-Diensteanbietern zu streuen. Auch ist Hass ggf. keine oder nicht nur Meinungsäußerung, sondern auch Tatsachenbehauptung, etwa im Fall einer Verleumdung. Vor allem aber kann bei allen Forderungen nach konsequentem, wenn nicht rigorosem Vorgehen gegen Hass im Netz ein solcher Ausschluss schlicht nicht gewollt sein.

Hass im Sinne von Hate Speech (und darum geht es uns hier) mag gerade die praktische Meinungsfreiheit unterminieren, auf die sie sich Hassredende berufen. So im schädlichen Einfluss auf das Diskussionsklima im Netz, etwas infolge des Silencing-Effekts. Das kann aber umgekehrt nicht bedeuten, die Meinungsfreiheit im Namen des Kampfes gegen Hassrede preiszugeben oder abzuschaffen. Selbst, wenn dies nur für eben diese Hassrede gelten soll, und nicht nur, weil allzu oft allzu uneindeutig bleibt, ob es sich bei einem Kommentar oder dem Posten oder Teilen eines Inhalts um (Akte der) Hassrede handelt oder welche Merkmale ein Äußerungshandeln im Detail „Hass“ konstituieren.

Inwiefern dies so ist, macht u.a. der Beitrag „Das Phänomen der Hate Speech aus einer grundrechtlichen Perspektive – ‚Die Meinungsäußerungsfreiheit des Hassredners‘“ im Sammelband Hate Speech: Definitionen, Ausprägungen, Lösungen, herausgegeben von Gerrit Weitzel und Stephan Mündges, deutlich. (Disclaimer: Das Buch ist 2022 in meiner Reihe Aktivismus- und Propagandaforschung bei Springer VS erschienen; an dem Band oder seiner Entstehung selbst war ich nicht beteiligt). Geschrieben hat den Text Dr. Anna Katharina Struth, die zu dem Themenkomplex 2019 ihre Dissertation veröffentlichte.

Mit Blick nicht nur auf das Grundgesetz, sondern auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention sowie die Grundrechtscharta der Europäischen Union legt Struth dar, dass und wie Hassrede grundrechtsmissbräuchlich ist oder sein kann. Etwa wenn bzw. indem sie rassistisch, antisemitisch, islamfeindlich oder homophob ist, gegen die Gebote der Toleranz, der Vielfalt (Pluralismus) oder der Gleichheit verstößt. Es steht entsprechend dem Staat zu, die Meinungsfreiheit in der Abwägung verschiedener Schutzgüter einzuschränken. Keineswegs bedeutet dies jedoch, dass Hassrede oder (andere) verfassungsfeindliche Äußerungen sozusagen an sich außerhalb des Schutzbereichs des Meinungsfreiheitsgrundrechts lägen oder zu stellen wären. Sogar Hate Speech genießt „grundsätzlich den Schutz der grundrechtlichen Garantien der Meinungsäußerungsfreiheit in dem Sinne […], dass ihre Beschränkung jedenfalls am Maßstab des Grundrechts zu messen ist. ‚Hassreden‘ sind aus grundrechtlicher Perspektive ‚Meinungen‘, denen nicht schon per se aufgrund ihres Inhalts oder ihrer sonstigen Eigenschaften kein grundrechtlicher Schutz zukommt“ (Struth 2022, S. 63). Unter diesem Gesichtspunkt ist „Hass“ also durchaus „Meinung“ in dem Sinne, als Hassrede oder was dafür gehalten wird zunächst im Licht der Meinungsfreiheit zu betrachten und zu bewerten ist, ganz gleich, wie verletzend oder schädigend das Äußerungshandeln inklusive des Inhalts ist oder erscheint. (Eine grundsätzliche, singuläre Ausnahme kennt hier das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht mit dem Verbot der Holocaust-Leugnung.)

Dass heißt nun nicht, dass man deshalb gegenüber Hasskommentaren oder Hetzbildern wehrlos wäre, denn innerhalb dieses grundrechtlichen Rahmens gibt es ja durchaus die Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Der Kampf gegen Hass im Netz ist mithin keine Frage der fundamentalen, gar der selbst ‚extremistischen‘ Ächtung von Äußerungshandeln oder Medieninhalten, sondern eine der Durchsetzung bzw. der Anwendung bestehender rechtstaatlicher Regelungen und Handlungsmöglichkeiten. Das schließt an die Diskussion an, ob neue juristische bzw. polizeiliche Mittel zur Strafverfolgung im Internet notwendig sind oder ob es eher die effektivere und effizientere Anwendung der bereits bestehenden Mittel und Möglichkeiten braucht. Insofern es hier allerdings unmittelbar um die Grundgesetzlichkeit der Meinungsfreiheit geht, ist Thema basaler und damit brisanter.

Die Verfassung schützt also potenziell sogar Hassrede? Und sie wägt bei der Frage ihrer Beschränkung ‚lediglich‘ ab, etwa gegen die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der Jugend, der realen oder möglichen Schädigung von Angefeindeten und Attackierten? Das mag auf den ersten Blick (zu) wenig erscheinen angesichts des schwerwiegenden Problems von potenziell Gewalt begünstigender Hetze und massenhafter, teils koordinierter verbaler Attacken. Doch der (sogar Grundrechts-)Schutz Betroffener vor Online-Hassattacken oder des öffentlichen demokratischen Meinungsaustauschs im Netz durch die Untergrabung durch Widerwärtiges, Aggressives, Provokatives darf ebenso wenig verabsolutiert werden wie der Schutz einer staatlichen Ordnung oder des demokratischen Systems. Das zum einen, weil ansonsten jene Diskussionen erstickt würden, die diesbezügliche Grenzen und Regeln sowie deren Ausgestaltung fortlaufend aushandeln. Zum anderen, um allgemeine Schutzmechanismen der Demokratie und ihrer Werte (und dabei sogar der von Hass Betroffenen, die ja selbst auch anderweitige bzw. in anderen Kontexten Menschen- und Bürgerrechteträger sind) intakt zu belassen. Denn „[s]chließt man die (Hass-, B.Z.) Äußerung bereits aus dem Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit aus, entfallen wichtige rechtsstaatliche Anforderungen an das staatliche Handeln“ (ebd., S. 59). Struth verweist dabei auf die Bewahrung demokratischer Mindeststandards, die etwa verhindern, dass unliebsame Meinungen unterdrückt werden (vgl. ebd., S. 58). Gerade mit Blick auf die Grauzone von Online-Hass, die unsteten Schicklichkeitsgrenzen des zivilen Miteinanders, die liminale Funktion diskursiver Aushandlungsprozesse oder die vorstufige, klärende oder absichernde Rolle etwa der Politischen Bildung ist das relevant. Autokratische Regimes liefern dafür Negativbeispiele. Das rechtliche Vorgehen gegen Hassrede unter Legitimierungs- und Legalitätsvorbehalt zu stellen, wie es aktuelle der Grundsatz ist, statt eine Grundrechtswertigkeit von Hass (oder was dafür gehalten wird) regelhaft infrage zu stellen und eine Beweislastumkehr vorzusehen ist allein schon deshalb unabdingbar, weil sonst das Gebot der Verhältnismäßigkeit und damit schnell entsprechende Abwägungen entfielen: Gesetze, polizeiliche Maßnahme oder juristische Entscheide gegen und über Hate Speech müssten nicht mehr den sachlichen und legitimen Zwecken folgen und gerechtfertigt und geeignet sein, um ihr Schutzziel verfolgen (vgl. ebd., S. 59). „Zugespitzt bedeutete dies, dass […] die Verurteilung – auch eines Journalisten/einer Journalistin – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen einer „Hassrede“ erfolgen könnte, ohne in Kontakt mit der Meinungsfreiheit zu geraten, weil […] [die Grundrechtsbeschränkung] den Anforderungen der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs nicht genügen muss“ (ebd., S. 58).

Solche Einwände mögen realitätsfern bzw. zu ‚theoretisch‘ erscheinen angesichts vielfach angeführter, drastischer Beispiele von Online-Hass und seinen Folgen wie der klaren, gleichwohl teils gerichtlich nicht zugestandenen Beleidigungen im Web gegen Renate Künast oder dem Selbstmord der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr im Zuge von Drohungen und Anfeindungen. Andererseits: Wo sind die sinnvollen Grenzen des strafrechtlichen Durchgreifens und des öffentlichen soziale Abstrafens Einzelner erreicht oder überschritten? Etwa wenn im überschaubaren WhatsApp-Chat hässliche, rassistische, wohl aber eher gedankenlose statt strategische oder systematisch-propagandistische ‚Witze‘ gepostet werden? (siehe dazu hier – Paywall – den Bericht von Jürgen Dahlkamp über das Beispiel eines harten Durchgreifens gegen einen Jungtrainer des FC Bayern München inklusive der Frage nach der Verhältnismäßigkeit, erschienen auch im Spiegel, Nr. 50 / 2022, S. 34-38). Oder wenn gemäß der Definition der Neuen Deutschen Medienmacher*innen nicht die Hater:innen entscheiden, was Hassrede ist („Ich bin kein:e Sexist:in/ Nazi/ Rassist:in, aber …“ – was Sinn macht), sondern von ihnen „so Angesprochenen“ (in mehrere Hinsicht problematisch, weil oder wenn etwa dabei individuelle Betroffenheitsgefühle zum bestimmenden Kriterium werden.)

Bei allem Übermaß- und Willkürverbot: Gelegentliche, vermeintliche oder denkbare Übertreibungen oder Unstimmigkeiten im Vorgehen gegen Hass im Netz entwerten nicht das gesamte zivilgesellschaftliche oder staatliche Engagement gegen Online-Hass, -Hetze und -Propaganda, noch negieren sie die Existenz von Hass im Netz als eminente kulturelle, gesellschaftliche und politische Herausforderung. Umgekehrt braucht es mehr Einsicht in und Differenzierung beim Umgang mit Online-Hass, z.B. hinsichtlich sozialen und subkulturellen Funktionsweisen und Gratifikationen von Hass im Netz oder zielgenauere Einstufungs- und Bearbeitungskategorien außerhalb des juristischen Systems. All dies ist aber, so oder so, kein oder nur ein sehr ungeordneter Aspekt in der Debatte über die Meinungshaftigkeit und -wertigkeit von Hass (im Netz).

Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass „Hass ist keine Meinung“ als Losung wie sogar als normative Beschreibung seine Berechtigung und Richtigkeit dann hat, wenn es darum geht, auszudrücken dass:

  • bei verhetzenden, beleidigenden, diffamierenden und anderen ‚hassförmigen‘ Äußerungen oder dem Veröffentlichen oder Weiterverbreiten entsprechender Inhalte man sich nicht unbedingt auf das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit berufen kann bzw. das Geäußerte oder die kommunikative Handlung als Meinung legitimiert wie legalisiert wäre.
  • Hassrede weder rechtlich, sozial oder kulturell im Netz eine Privatangelegenheit ist, sondern sich – selbst wenn es sich nur um ein persönliches Dafürhalten handelt – von relevanten Anderen (wie Strafverfolgungsbehörden) als öffentliche Aussage gewertet und entsprechend behandelt wird. Dabei spielt es keine Rolle, wie etwas gemeint war oder ist oder wer die intendierten potenziellen oder realen Adressat:innen sind (und ob diese wüssten, wie es gemeint oder zu verstehen ist, z.B. schwarzhumorig / ironisch / parodistisch).
  • das Etikett „Hass“ oder Hate Speech nicht je nach eigenem Gusto und Bedarf passend definiert und angewandt wird – vor allem, wenn es darum geht, die eigene Äußerung nicht damit zu versehen.

Keine Berechtigung hat oder falsch ist die Losung „Hass ist keine Meinung“ hingegen, wenn damit gemeint ist, dass

  • Hass per se nicht meinungsförmig sei oder sein kann.
  • die Abwägung der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen Schutzgütern (z.B. der persönlichen Ehre, dem Jugendmedienschutz) grundsätzlich zuungunsten der entsprechenden kommunikativen Handlungen (Kommentieren, Inhalte veröffentlichen oder weiterverbreiten etc.) ausfalle.
  • „Hass“ etwas ist oder sein soll, das vor vornherein bzw. grundlegend schutzunwürdig (damit willkürlicher) gegenüber anderen, wie auch immer als solche bestimmbaren legitimeren (zivileren, weniger kontroversen, polarisierenden oder verletzenden) Arten der Meinungsäußerung zu behandeln sei.
  • nicht nachvollziehbar oder unsachlich ist und bleibt, was „Hass“ bezeichnet oder bezeichnen soll.

Bernd Zywietz